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Tatort Reitstall

Donnerstag, 8. Mai 2008

Tatort Reitstall: Leiden und leiden lassen

Heute zitierte die Zeitung Ashton Cutcher - jener junge Schauspieler, den sich Demi Moore untertan gemacht hat - mit folgenden eindrucksvollen Worten: "Wir Männer sind dazu da, den Frauen zu dienen."
Offenbar ist diese Weisheit noch nicht bis zu unserem Großinquisitor durchgedrungen. Bei ihm scheint eher zu gelten: "Wir Männer sind dazu da, blonden Frauen zu dienen und brünette Frauen leiden zu lassen."
Wie ich zu diesem Schluss komme? Werfen wir einen Blick in das letzte Drittel der Dienstagsreitstunde. Eine Reitstunde, in der ich ausnahmsweise nicht von Wadenkrämpfen geplagt war. Ganz im Gegensatz zu der Donnerstagsreitstunde davor, in der ich mich mit beidseitigen Krämpfen durch den Galopp quälte und dabei noch unter Aktivierung sämtlichen preußischen Erbmaterials versuchte, den gestrengen Anweisungen des Großinquisitors zu folgen. Oh, ich litt! Es war schmerzhaft! Doch erst nach der dritten Runde keuchte ich kapitulierend: "Geht nicht mehr, hab Krämpfe in beiden Waden..." Es interessierte wenig. (Ich bin brünett)
Am Dienstag hingegen wurde eine blonde (weitaus begabtere) Reitkollegin von einem Wadenkrampf geplagt, stoppte ihr Ross und machte sich tapfer daran, den Schmerz zu bekämpfen. Just hob der Großinquisitor seinen graublauen Blick und straffte den Rücken.
"Was ist, haste einen Krampf?"
"Ja..."
"Warte..."
Behenden Schrittes eilte er zu ihr hinüber, fasste mit männlich-resolutem Griff an ihre Wade und dehnte die Fußspitze nach oben. Erschrockenes Juchzen aus dem Sattel - doch es half.
Obwohl Diskussionen mit Großinquisitoren meistens nicht fruchten, musste ich meiner Empörung Luft machen.
"Und mich lässt du jedesmal leiden!", rief ich quer durch die Halle.
"Wie - leiden!?"
"Mir hast du nie erste Hilfe geleistet, wenn ich einen Krampf hatte..."
"Du hattest doch noch nie einen Krampf."
"Was!?" Mein Entsetzen weckte nun auch das Interesse der Mitreiter. "Ich hatte gerade letzte Woche in beiden Waden Krämpfe und bin sogar noch" nach Luft schnapp "weitergaloppiert..."
"Du hast aber nichts gesagt."
"Hab ich wohl! Ich hab das jedes Mal gesagt! Ich hatte schon so oft Krämpfe!"
"Ich hab das nicht mitbekommen. Du muss eben ein schmerzverzerrtes Gesicht aufsetzen."
"Das hab ich doch immer." Ups, Eigentor. Diskussion beendet. (Merke: Diskussionen mit Reitlehrern führen niemals zu einem zufriedenstellenden Ausgang. Also Klappe halten und weiter reiten.)
Tja, die uralte Benachteiligung brünetter Frauen - seit meiner Pubertät macht sie mir das Leben schwer. Übrigens, ganz früher war ich mal weizenblond. So mit fünf oder sechs Jahren.
Meine wahre Befürchtung ist jedoch, dass es gar nicht an der Haarfarbe lag. Sondern daran, dass Großinquisitor mir keinen meiner früheren Wadenkrämpfe jemals abgekauft hat.
Na warte... Dem werd ich's zeigen...

Dienstag, 29. April 2008

Tatort Reitstall: Das perfekte Wetter

Seien wir ehrlich: Das perfekte Wetter für Hallenreiter gibt es genau zwei Mal im Jahr – an dem Tag, an dem der Winter zögerlich in den Frühling übergeht und an dem Tag, an dem der Sommer zögerlich in den Herbst übergeht. Dann ist die Luft frisch und der Geist frei. An allen anderen Tagen ist es entweder zu kalt, zu feucht oder zu warm. Ganz zu schweigen von jenen Wochen in Juli und August, wenn die Reithalle sich in Luzifers Vorhölle verwandelt hat und man in seinen Reitstiefeln Suppe kochen könnte.
Nun beginnt also wieder die Zeit des Hyperventilierens, die schmerzhafte Phase der brennenden, tränenden Augen (Staub!), Momente der akuten Blindheit für Kontaktlinsenträger, Abende, an denen der Reithelm seinen Kosename „Wok“ verdient: Auf dem Schädel scheinen vulkanische Temperaturen zu herrschen, in denen ein Nasi Goreng binnen Sekunden gar werden könnte.
Doch echte Reiter jammern nicht. Sie quälen sich in ihre engen Hosen und noch engeren Stiefel, schaffen in der Mitte durch ein atmungsaktives Hemdchen Luftigkeit und krönen diesen Designer-Nachtmar mit einem schwarzen, dicken Helm - zumindest jene Reiter, die beim Reiten noch ans Fallen denken. Die Belüftungsschlitze der Helme können Sie übrigens getrost vergessen. Ab 20 Grad Außentemperatur sind sie so nützlich wie Handventilatoren in Bangladesch. Somit ist jeder sommerliche Reittag automatisch ein Bad Hair Day, und er ist zudem ein Tag, der uns an unsere physischen und psychischen Grenzen bringt. Die Reithalle wird zur Sauna, der „Fahrtwind“ im Trab und Galopp zum Hoffnungsanker, welcher jedoch nur von neuerlichen Schweißausbrüchen gefolgt wird. Und oh, wo man überall schwitzen kann – Nicht-Reiter werden es kaum für möglich halten! Selbst die teuerste Microfaser-Hightech-Klima-Reithose für knapp 200 Euro zeigt nach einer Stunde Dressur ein wenig charmantes Muster, das Laien vermuten ließe, man habe sich vor Angst in die Hosen gemacht.
Plötzlich kommt Sehnsucht nach dem Winter auf. Wirklich? Erinnern wir uns kurz: Taube Füße, ununterbrochen laufende Rotznasen, rheumatisches Knacken beim tapferen Versuch, trotz tiefgefrorener Gelenke elegant aufs Pferd zu steigen, explosionsartige Niessalven, Zossen, die ein so dickes Winterfell angelegt haben, dass sie feine Hilfen stur ignorieren, arthritische Finger, eisige Sättel (Cranberrysaft hilft übrigens gut gegen Blasenentzündungen, habe ich gelesen) - - und dazu ein Reitlehrer, der sich alle zehn Minuten lautstark an die Befreiung seiner verschleimten Nebenhöhlen macht. Denn er ist schließlich der wahre Leidtragende. Er muss bewegungslos in der Mitte des Tiefkühlschranks namens Reithalle verharren und hat vermutlich schon seit dem frühen Vormittag kein Gefühl mehr in den Beinen.
Freuen wir uns also daran, dass der Sommer noch nicht da ist und der Winter gerade erst vorbei. Vielleicht erleben wir ihn – den perfekten Tag.

Mittwoch, 23. April 2008

Tatort Reitstall: Name ist Programm?

Dass meine Bekannte ihr Meerschweinchen Brutus taufte, mag diskutabel sein. Einen schwarzen kleinen dürren Kater mit unerwartet scharfen Krallen „Rambo“ zu rufen, wie ich es vor acht Jahren tat und heute noch tue, kündet ebenfalls nicht von namenstechnischem Fingerspitzengefühl. Und fangen wir gar nicht erst mit den Namen für brutfrische Menschlein an, die später gezwungen sein werden, ihre Rechnungen und Verträge mit „Gina Jaqueline Bauer“, „Mailin Morgana Schneider“ oder auch „Wilson Gonzalez Ochsenknecht“ zu unterschreiben.
Doch das alles ist nichts im Vergleich zu den Taufen unserer geliebten Zossen. Hier läuft die namensgeberische Fantasie mit Vorliebe Amok. So steht bei uns im Stall tatsächlich eine Diddl-Maus (ein Pony, das erstaunlich giftig gucken kann, wenn man mit der Mistschaufel an ihm vorbei schreitet), und eine frühere Reitkollegin musste sich ohne Preisermäßigung damit abfinden, das ihre hübsche Stute auf den Namen „Dating“ hörte. Was, um Himmels willen, spukt den Züchtern und Besitzern durch ihr liebesgetränktes Reiterhirn, wenn sie nach Namen für ein unschuldiges, staksiges Fohlen suchen? Doch die Hauptüberraschung kommt meistens erst Jahre später, wenn Pferdchen zum Pferd geworden ist und seinen ureigenen Charakter offenbart. Denn spätestens jetzt zeigt sich, dass die Namensgebung möglicherweise ein Griff ins Klo war.
Mein erstes Schulpferd hieß floral und lila „Lavendel“. Lavendel war ein träger, geduldiger Riese – eine Burg von einem Pferd, das die Welt um sich herum mit unerschütterlichen Gleichmut betrachtete. Südfranzösische Leichtigkeit war ihm fremd. Und doch blieb uns keine Wahl, als den stolzen Hünen mit dem homophil anmutenden Namen „Lavendel“ anzusprechen. Später zog ich mit Carina durchs Gelände – auch gerne Carinchen gerufen. Man mag dabei an italienische Anmut und vier zarte Fesseln denken, an ein echtes Liebchen – denn genau das drückt der Name aus - , das seinem Reiter Untertan ist und dessen holden Kopf man am liebsten mit einem Kranz aus Gänseblümchen schmücken möchte. Carina jedoch war eine stattliche Haflingerdame mit breitem Rücken, einem Wust blonder Mähne und von jener Sturheit gesegnet, die man ihrer Rasse so gerne nachsagt. Im Team mit ihren Pferdekumpeln war sie ein Engel. Ritt ich sie alleine, kam ich kaum vom Fleck. Vom Liebchen keine Spur. Sie grub die Hufe in die Erde, machte sich starr und unbeweglich und gab sich einfühlsam wie ein Felsbrocken. Das war dann auch das vorzeitige Ende unserer Zweisamkeit. Es folgten Curry (goldbraun, aber wenig würzig), Karma (mein wenig meditatives Schicksal: sie zum Galopp zu bewegen), Vitesse (ein zierlicher Kopper, der in der Tat ordentlich Gas geben konnte, wenn er Grund zur Lebendigkeit sah), Akano (schreckhafter Schimmel mit dürrem Hinterteil) und schließlich, im vierten und jetzigen Stall, Damos. Damos ist einfach Damos. Nichts anderes. Ein wenig dämonisch im Ersteindruck, dann vertrauliches A und O nach der angstgetränkten Gewöhnungsphase. Dennoch kann ich mir ein inneres Schmunzeln nur schwer verkneifen, wenn wir in die Abteilung gescheucht werden: „FBI, Willy, AJ, Dundee, Damos, Jerry“ – na, wenn das nicht nach einer erfolgsversprechenden Boygroup klingt.
P.S. Es ist übrigens tatsächlich besser, FBI brav und unauffällig zu folgen. Nicht umgekehrt. FBI ist da ganz wie seine amerikanischen Namensgeber. Er weiß eben, wo es lang geht.

Freitag, 18. April 2008

Tatort Reitstall: Frühlingsgefühle

Irgendwann - und meistens unverhofft - ist selbst im windzerzausten Westerwald der Tag X gekommen: Die Narzissen befreien sich aus ihren Knospen, das erste laue Lüftchen weht über die Felder, und die Pferde erklären ihrer komatöse Spätwinter-Apathie just für beendet. Und: Das große Hallenfenster wird geöffnet. Alleine diese Faktoren genügen bei mittelalten, gesunden Pferden, die noch nicht in einen untoten „Macht doch auf mir, was ihr wollt“-Zustand gerutscht sind, um kräftig einen auf Jux und Tollerei zu machen, sobald sich der lästige Mensch auf den Rücken geschwungen hat und es wagt, etwas von ihnen einzufordern.
Reiter mit besonderem Glück (kurz: Reiter wie ich) aber erleben zudem die seltene Gnade, dass ausgerechnet in dieser ersten Frühlingsstunde bei offenem Hallenfenster und blühenden Narzissen ein Pferd die Manege betritt, welches das Abteilungsreiten bislang nur aus dem Fernsehen kannte und es als maßlose Unverschämtheit empfindet, sich zwischen anderen Pferden in einer geraden (!) Linie einreihen zu müssen.
Und weil ja wieder Leben in die Welt gekommen ist und das Winterfell zusammengekehrt in der Schubkarre ruht, werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit – es genügen ein Tempowechsel oder ein schlichtes Seitwärtstellen – dramatisch die Hufe geworfen und Kopf wie Hals giraffenartig in die Höhe gereckt. Der holde Lenz in allen Ehren: Für das hilflose Wesen im Sattel birgt der verhasste Winter plötzlich ungeahnte Qualitäten, und man wünscht sich spontan, irgendwo in der Nähe des Polarkreises zu wohnen, wo es erst Juli werden muss, damit sich die ersten Schneeglöckchen aus der Erde kämpfen und die zottigen Rösser zehn Monate des Jahres kaltblütig und meditativ durch den Frost stapfen.
Aber nun ist der Tag da, unvermeidlich, und das neue Pferd ist da, und natürlich ist auch der Großinquisitor da und freut sich ostentativ des plötzlichen Aufruhrs in der Halle: „Ho“, lacht er, „Frühling, Frühling! Da ist mal Leben in der Bude!“ Eine etwas euphemistische Umschreibung für drei seitwärts ausbrechende und zwei vorwärts ausbrechende Pferde, doch dumpf erinnert sich mein adrenalinverseuchtes Hirn, dass ich Tornados, Schiffsuntergänge und Vulkanausbrüche durchaus genießen kann, wenn ich sie mir im Kino anschaue. So ähnlich muss das also für den ungewohnt strahlenden Mann in der Mitte sein, wenn das Stampfen frühlingstoller Hufe die Halle erfüllt und der aufgewirbelte Staub in Augen und Nase beißt.
Nun denn – es ist Frühling, und wir wollten ihn, Ross und Reiter. Seien wir also gewillt, den ein oder anderen Bocksprung als Freudenhüpfer zu betrachten und den Herdentrieb im Abteilungsgalopp als jugendliche Frische. Und hoffen wir, dass uns die milden Temperaturen jene Kühnheit verleihen, die es braucht, um der nächsten Stunde samt geöffnetem Hallenfenster, einem fröhlichen Inquisitor und abteilungsscheuen Rössern gelassen und optimistisch entgegen zu blicken. Bitte.

Donnerstag, 20. März 2008

Tatort Reitstall spezial: Reitlehrer-Zitate

"He! Zirkel! Zirkel!! Das ist ein Ei, kein Zirkel! Hoppla - nicht mich umreiten! Reitlehrer ummähen ist verboten. Ich stehe unter Naturschutz."
Allgemeines Grinsen auf den verschwitzten, staubigen Reitschülergesichtern.
"Okay, zumindest unter Denkmalschutz."

Mittwoch, 5. März 2008

Tatort Reitstall: Abteilung - Marsch!

Die einen lieben sie. Die anderen hassen sie. Und manche fürchten sie – die Abteilung. Ich habe sie anfangs gehasst. Warum? Weil sie mir keine Möglichkeiten gab, zu entweichen, zu pausieren, zu schwächeln – kurz: meiner Angst zu gehorchen, die Damos auf vielfältige Weise zu schüren wusste. Denn Damos gehört zu den Pferden, die das Abteilungsreiten gerne mit einem Wettrennen verwechseln, wenn sie aufgeräumter Stimmung sind. Und als er mit mir noch kräftig einen auf Rodeo und wilder Mustang machte, war der Ruf „Abteilung bilden“ in meinen Ohren vergleichbar mit einem Todesurteil. Ich reihte mich in blinder Angst und unterschwelligem Hass zwischen eine Pferdenase und einen Pferdehintern. Zwei Längen Abstand voller Schweiß und Tränen.
Heute schwanke ich zwischen Freude und leiser Furcht, wenn der Abteilungs-Ruf erschallt, denn zum einen mag ich diese geordnete, schwebende Form des equiden Balletts, zum anderen erfüllen mich die Kreise und Figuren und Bahnen zutiefst – besonders dann, wenn sie von einem unfallfreien, geordneten Galopp gekrönt werden. Gestern Abend jedoch dräute gleich von zwei Fronten Unheil: „Der Alte“, unser Großinquisitor der Freizeitreiter, war erschreckend erholt aus seinem Urlaub in südlichen Gefilden zurückgekehrt und schien darauf zu brennen, uns erbarmungslos auf unseren aktuellen Leistungsstand zu prüfen. Ach, er muss es vermisst haben während seines süßen Nichtstuns – den weiblichen Angstgeruch, im Nu ersterbende Diskussionen und das erschöpfte Keuchen ehrgeiziger Frauen weit jenseits der Pubertät.
„Abteilung bilden!“, ertönte es also bereits in der Lösungsphase. „Willy, AJ, Damos...“ Den Rest nahm mein Ohr nicht mehr war. “Das ist keine gute Idee”, wisperte ich in meinen nicht vorhandenen Bart, wohl wissend, dass jeder Einspruch vergebens wäre, denn: „Du bestimmst das Tempo, nicht das Pferd!“ Es war also völlig egal, dass Damos – das Unheil auf zweiter Front - heute den friedliebenden AJ zu seinem persönlichen Feind erklärt hatte und bereits im Schritt zwei Mal Veranlassung sah, den Kopf furchterregend nach oben zu reißen und zwei hektische Galoppsprünge auf der Stelle zu vollführen, als ihm AJs gemütlicher Hintern zu nahe kam. Keine gute Voraussetzung für eine friedliche Abteilung im Schatten von AJs schwingender Kehrseite.
Doch ich fügte mich gehorsam, weil mir nichts anderes übrig blieb und überließ dem Großinquisitor seine uneingeschränkte Macht über vier Frauen- und eine Männerseele. Und es war gut so. Die Abteilung marschierte wie am Schnürchen. Damos regte sich nur drei bis fünf Mal kurz auf. Ich keuchte wie ein Marathonläufer, blieb aber oben. Und danach? Wohltuender innerer Frieden. Nicht nur bei uns – vor allem bei ihm, dem Großinquisitor, der wieder in seinem Element war und erkannte, dass seine Eleven auch nach zwei Wochen Abwesenheit unermüdlich versuchen, es ihm Recht zu machen.
Ich werde trauern, wenn er irgendwann Gerte und Stentorstimme beiseite legt und seinen Ruhestand genießt. Doch kann er ihn überhaupt genießen – ohne uns Unvollkommenen? Ich glaube nicht.

Donnerstag, 28. Februar 2008

Tatort Reitstall: Zwischen Lusthöhle und Kreißsaal

Eine Reitstunde hat bekanntlich zahlreiche Facetten - an einige gewöhnt man sich mit der Zeit, andere sorgen immer wieder für Unbehagen oder Schmunzeln. Da ich mich bereits passioniert dem Unbehagen gewidmet habe, wende ich mich heute dem Schmunzeln zu. Denn wie war das? "Lächel mal - reiten macht Spaß!"

Nehmen wir also die akustische Facette der Reitstunden unter die unbarmherzige Lupe der Realität - fürwahr, da gibt es einiges, was einem die Lachmuskeln erbeben ließe, wäre man nicht gerade damit beschäftigt, das dahinter liegende Kreuz anzuspannen und aus den benachbarten Bauchmuskelsträngen ein sanft mitschwingendes, aber stabiles Bett für die Bewegungen des treuen Rosses zu basteln.
Ansonsten würde ich empfehlen, in der nächsten Gruppenstunde kurz die Augen zu schließen und einfach nur zu lauschen - am besten, wenn gerade am Galopp geübt wird und einigen Mitreitern die Erschöpfung bereits ins Gesichte geschrieben ist. Sie werden eine Geräuschkulisse wahrnehmen, die sich irgendwo zwischen Lusthöhle und Kreißsaal ansiedeln lässt und eine nicht unerhebliche Naturkomik birgt (und ich denke dabei nicht an die pferdespezifische Art, wohlige Tiefendarmentspannung zu signalisieren - nein, ich denke an die Menschen!).
Konkreter formuliert: In der vergangenen Stunde machte es ein stabiles, gutmütiges Jagdpferd seiner Reiterin wieder einmal etwas schwierig, in den Galopp zu wechseln, zumal die Reiterin von eben jener inneren Galopphemmschwelle befallen zu sein scheint, die vielen unerfahreneren Reitern zueigen ist. Man will, aber irgendwie will man doch nicht.
"Schenkel" Schenkel! Jetzt!", schreit es aus der Reithallenmitte.
"Ha-heuu-haaa", kommt die Antwort vom Pferderücken - ein urweibliches Stöhnen zwischen Lust, Angst und Schmerz, das jede osteuropäische Tennisspielerin vor Neid erblassen ließe.
"Ja! Ja! Jetzt", skandiert der Reitlehrer begeistert.
"Haaaa - hiii - aaaaaah", steigert sich das Stöhnen zu einem undefinierbaren Seelenlaut, der von einem latent verzweifelten Schnappatmen gekrönt wird. Also doch Kreißsaal...?
"Los, weiter, ja, so, ja, Hüfte, Hüfte, schieben, Schenkel!"
"Aaah - aaaahhh - ich kann nicht mehr..."
"Doch, los, genau, so ist es gut, siehst du, ja, ja..."
Das Ernüchternde an diesen akustischen Achterbahnfahrten ist nur, dass der Reiter selbst sich vermutlich gerade in der unerotischsten und am wenigsten gebärfähigen Verfassung seines Lebens befindet. Irgendwie tut alles weh, vor allem die Körperteile, deren Namen der Reitlehrer so enthusiastisch durch die Halle brüllt; die Zunge hängt trocken zwischen den Zähnen, der Gaumen ist staubig, der Magen rebelliert und der Geist betet um baldige Errettung.

Nur danach, wenn es doch geklappt hat, wenn das Pferd zwei schöne lange Runden galoppiert ist und der Zügel nicht zu lang geworden ist, wenn Loben und Schritt angesagt ist und der Puls sich normalisiert - - dann haben die Emotionen doch ein wenig postorgiastischen Charme. Man hat sich zwar nicht von Casanova beglücken lassen und der Welt keinen neuen Erdenbürger geschenkt, aber das Herz läuft dennoch über vor leichtem, puren Glück.
Reiten macht eben Spaß.

Mittwoch, 30. Januar 2008

Tatort Reitstall: Reiten vor Publikum

Was ist eigentlich härter - die Tatsache, dass man um einen Mann herumreiten muss, der um drastische Worte und Maßnahmen nicht verlegen ist und keine winzige Ausflucht, schon gar nicht hysterische Anwandlungen a la "Ich möchte absteigen" akzeptiert? Oder die Tatsache, dass man in den meisten Reitställen seine unsicheren Lektionen vor Publikum vollführen muss?
Ich finde es merkwürdig, dass die Besucher des urgemütlichen Reiterstübchens - selbstverständlich mit Panoramafenster zur Halle - immer die "Pannenshow" im TV laufen haben, wenn ich mich aufs Pferd begebe. Sollte mir das etwas sagen? Etwas bedeuten? Vielleicht, dass sie meine eigene Rodeo-Pannenshow der ersten Wochen in diesem neuen Stall zu vermissen beginnen? Oder dass immer noch genügend Pannen vorhanden sind? Oh ja, ich weiß das doch... aber das alleine rettet mich nicht.
Reiter haben nicht ganz zu Unrecht einen schlechten Ruf. Denn Reiter sind zu 95 % Frauen und zu 5 % Männer. Die Männer scheren sich meistens einen feuchten Kehricht um neueste Schabrackenfarbkreationen und die aktuelle Reitmode (Hüftreithosen! Oh ja, die braucht man in der Tat! Wo sie doch schon als Jeans fast niemand gut zu Arsche stehen...). Sie konzentrieren sich nur auf eines: das Reiten. Frauen hingegen beherrschen bekanntlich das Multitasking und erweitern dieses eindimensionale Spektrum mit Leichtigkeit. Wer sitzt wie auf dem Pferd? Wer hat wo Angst? Wer hat hier wieder gekniffen und dort übertrieben? Wer behandelt sein Pferd offensichtlich miserabel? Wer hat wo was gesagt, obwohl er woanders jenes gesagt hat? Wer kriegt nicht mal eine saubere Vorhandwendung gebacken?
Und bitte, mir kann niemand erzählen, dass diese Gedanken nicht im Reiterstübchen ihre Vollendung finden, wenn unerfahrene Dreijahresreiter wie ich beim Viereck verkleinern windschief im Sattel hängen und beschließen, dass Autofahren doch wesentliche nicht zu unterschätzende Vorteile birgt.
Und just in diesem unglückseligen Moment macht man den Fehler, zu bedenken, dass man gerade wieder selbst die Pannenshow ist und niemand mehr da drinnen im warmen Stübchen auf den Fernseher schaut. Ja, amüsiert euch ruhig. Ihr habt auch mal angefangen.
Eindeutige Fazit: Ich bevorzuge den schreienden Mann. Und nutze die gerüchtegeschwängerte Wärme des Reiterstübchens, um meine müden Knochen nach der Pannenshow tüchtig aufzuwärmen. Wenn alle wieder auf den Fernseher gucken und erstaunlich nett grüßen. Wär ja auch langweilig, wenn jeder reiten könnte.

Mittwoch, 23. Januar 2008

Tatort Reitstall: Reiten, nicht denken

"Bettina, wer hat dir erlaubt, Sporen anzuziehen?"
Mist. Verdammter Mist. Das wollte ich ihn doch sofort fragen, sobald er die Halle betritt. Vergessen. Gelöscht. Vom Trabschritt aus dem Hirn geschleudert.
"Oh, sorry, das wollte ich eigentlich gleich fragen..."
"Ausziehen."
O la la, was für direkte Worte. Er nestelt unsanft an meinen Fesseln.
"Damos wird nicht mit Sporen geritten."
"Warum nicht?"
"Das ist ein Voltigierpferd."
"Oh, ach so, klar."
Wie konnte ich so dumm sein. Schmach. Schande. Asche auf mein Haupt. Und das ganze Reiterstübchen guckt zu.
"Ich dachte nur, dass...."
"Du sollst nicht denken, du sollst reiten."
"Ich tu mir ja nur so schwer damit, ihn mit der Gerte nachzutreiben...."
"Der zeigt dir es schon, wenn es ihm zu viel wird, keine Bange. Der ist stärker als du."
"Okay."(kleinlaut) (alle restlichen Gedanken runterschluckend, da ich ja nicht denken soll, sondern reiten).

30 Minuten später.

"Bettina, warum schlägst du dir immer selbst aufs Bein?"
Ha. Genau deshalb hatte ich ja diesen Sporenversuch unternommen....
"Schlag dir doch nicht selbst aufs Bein. Der merkt ja gar nix. Kein Wunder, dass der dir ausfällt."
"Ja, ich, ähm, ich weiß auch nicht, irgendwie..."
"Dreh die Hand doch ein bisschen, dann triffst du auch richtig."
Da ich ja reiten soll und nicht denken, denke ich heimlich in aller Stille: Dann verliere ich die Anlehnung. Und sage:
"Gut, mache ich."
Und mache es. Und verliere nicht die Anlehnung.
Oh Wunder.
Ich habe etwas dazu gelernt. Und ein Quäntchen Würde verloren. Aber das gleicht sich, denke ich, ganz gut aus.

Dienstag, 22. Januar 2008

Tatort Reitstall: Flugdinosaurier

"Hach, ist das wieder ein Wetterchen heute!", "Gemütlich, was?" "Das kann ja eine lustige Stunde werden, ha ha." Diese betont lässig intonierten Sprüche - aus denen besonders empathiebegabte Personen deutlich ein mühsam unterdrücktes Unbehagen heraushören können - schallen immer dann durch die Reithalle, wenn Petrus bereits in der Lösephase einen auf Krawall macht. Mit peitschendem Regen und unverhofften Sturmböen, die am Hallendach rütteln und die Nüstern der Pferde blähen. Man macht sich gegenseitig Mut, versucht es mit Humor, aber die Stimmung ist anders als sonst, einen Hauch angespannter, aufmerksamer, wacher.
Schließlich wissen wir alle, dass Pferde empfindlich auf Sturm und prasselnden Regen reagieren.
Ja, ist das tatsächlich so?
Seien wir mal ehrlich. Niemand weiß besser als unsere Zossen, und sind sie auch noch so jung und unerfahren, wie sich das Wetter in der Reithalle und im Stall anhört. Die ollen Equiden kennen sämtliche Facetten aus Petrus' umfangreichen Repertoire in- und auswendig. Eisregen. Dicke Sommerregentropfen. Leichter Südwind. Schwere Böen aus Nordost. Nahende Gewitter. Heran preschende Tiefdruckgebiete. Schneegraupel. Alles. Und sie haben gelernt, dass leichtes bis donnerndes Prasseln auf dem Dach nicht bedeutet, dass in den nächsten drei Sekunden ein angriffslustiger Flugdinosaurier durchs Hallenfenster kracht und sich die komplette Herde schnappt.
Die Pferde haben täglich 24 Stunden Zeit und Muße, sich die Geräusche des Wetters anzuhören. Wir aber, die verwöhnten Bürotiere, greifen bei einer losen Dachplane kühn zur rettenden Wunderwaffe Humor, um unsere latente Panik zu übertünchen, weil wir gelesen haben, dass die Urpferdchen vor Jahrmillionen auch von Flugdinosauriern angegriffen wurden und deshalb alles fürchten, was irgendwie von oben kommt. Oh ja.
Währenddessen grinsen die Zossen sich eins. Ja, ist doch prima, wenn die Olle auf jeden Regentropfen lauscht und jeder Böe argwöhnt, weil ihr Zügelgriff dann fahriger wird und ihr Rücken verspannter, und wir dann einfach keinen Grund mehr sehen können und müssen, weshalb wir genau an dieser Stelle durchparieren sollten oder eben an jener halten oder gar eine Volte traben, nicht doch, es ist windig! Wir haben Narrenfreiheit! Zeit für Schlendrian und "Ich seh ein Gespenst, was du nicht siehst!".
Oder wie sagte mein RL, als im Herbst ein munteres Stürmchen tobte und wir fragten, ob es nicht besser für die Pferde sei, das Hallentor zu schließen?
"Die Pferde haben da kein Problem mit. Aber ihr habt eins. Deshalb mache ich es zu."
Flugdinosaurier eben...
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